Vom Scheitern von Vorsätzen und der Kraft der Selbstreflexion
“Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.”
Es gibt keine Hinweise darauf, dass Einstein diesen Satz je gesagt hat, obwohl er oft als Einsteins Zitat etikettiert wird. Nichtdestotrotz: Es ist ein guter Satz!
Machen wir ein Beispiel: Die Vorsätze zu gesünderen Lebensgewohnheiten kennen wir, aber wir schaffen es nicht konsequent zu handeln, bescheren uns allerhöchsten einen leisen Frust oder ein halb-dumpfes schlechtes Gewissen. Oder haben Sie sich präventiv schon gar nichts vorgenommen?
Warum wir immer wieder unüberlegt das Gleiche tun und doch etwas anderes erwarten, hat mit unseren Prozessen im Geist zu tun. Unbewusstes und Bewusstes bleiben unverbunden nebeneinander bestehen und blockieren sich.
Auf der einen Seite haben wir eine kausale Verkettung, die sich meist unerkannt abspielt, die in etwa so geht, wie ein vielzitiertes Sprichwort:
«Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.»
(Sprichwort möglicherweise aus dem alten China)
Diese kausale Verkettung funktioniert sowohl mit positiven als auch mit negativen Gedanken. Wenn wir aber ein neues Ergebnis erwarten und immer noch dasselbe tun und deshalb massiv enttäuscht werden, haben wir es mit Sicherheit mit negativen, verdrängten Erfahrungen und Entscheidungen zu tun. Diese sind oft unbewusst und deshalb um so kraftvoller. Sie sind geprägt von Ängsten und Überforderungen, die in uns eine unbewusste Einstellung erschaffen, welche verursacht, dass wir unsicher, zurückhaltend und ängstlich durch das Leben gehen. Deshalb wiederholen wir lieber unsere alten Gewohnheiten und Strategien und fühlen uns sicher.
Ein Beispiel: Der Gedanke «ich kann das unmöglich, ich bin zu dumm, zu schwach, zu faul…» wird zu Worte, weil es von der betroffenen Person auch oft ausgesprochen wird. Daraus entstehen konkrete Handlungen, oder Entscheidungen zum Nichthandeln, die Person traut sich eine neue Aufgabe nicht zu und hält sich an einer alten Lösung fest. Das wird dann zu einer Gewohnheit, denn allmählich werden Neuerungen allgemein abgelehnt. Der betroffene Mensch traut sich immer weniger zu und verlässt immer weniger die gewohnten Wege, er entwickelt einen zurückhaltenden Charakter. Dank diesem Charakter wird diese Person nichts neues mehr ausprobieren, bleibt nicht dran, wird auch nicht mehr von anderen Menschen für innovative oder kreative Tätigkeiten angesprochen: Das «Schicksal» richtet sich nach dem Charakter der Person, das Leben dieser Person «vergraut» wird langweilig, diese Person fühlt sich blockiert und wird den neuen Gedanken haben: «Das Leben hat mich im Stich gelassen, das Schicksal meint es nicht gut mit mir.»
Auf der anderen Seite haben wir unsere bewusste Hoffnung. Dabei vergleichen wir die negativen Situationen aus der Vergangenheit und Gegenwart mit einer fiktiven Zukunft und wünschen uns einen besseren Ausgang. Dabei können wir uns Dank unserer Vorstellungskraft tatsächlich ein besseres, glücklicheres Leben vorstellen! Dank der Vorstellung sind wir mutig! Wir reden uns ein, dass es diesmal schon klappen wird (ich will endlich gesünder essen und 10 Kilo abnehmen), denn wir wünschen es uns so sehr! Grundsätzlich würde es auch durch die Vorstellungskraft funktionieren, denn unsere Gedanken haben wirklich viel Kraft und beeinflussen tatsächlich, sowohl unsere Handlungen (ich will endlich gesünder essen, Essensverhalten), also auch die Abläufe in unserem Körper. Diese Kraft bleibt aber an der Oberfläche, denn im Innern gibt es die unbewusste, negative Einstellung, die -weil noch nicht erkannt – viel kraftvoller ist als die Hoffnung.
Die Hoffnung basiert, genau genommen, auf halbbewusste Mini-Entscheidungen: «Ich entscheide mich, dass es besser wird». Diese Mini-Entscheidungen wären auch kraftvoll, sie werden jedoch von der unbewussten Ängstlichkeit, welche zudem, in der negativen kausalen Verkettung täglich verstärkt wird, massiv sabotiert («Ich schaffe das unmöglich, ich bin zu dumm, zu schwach, zu faul…»)
Alle oben beschriebenen Abläufe ereignen sich parallel, ohne bewusste Verknüpfung: Und genau das wird uns zum Verhängnis! Die einen Abläufe blockieren die anderen, ohne dass wir es spontan erkennen können. Das Resultat ist bekannt: Wir machen einerseits immer dasselbe oder eine fast gleich Variante davon und sind masslos enttäuscht, dass es keine Verbesserungen gibt!
Achtung: Die Lösung dieses Problems liegt auf einer anderen Etage!
Wenn wir unser Bewusstsein schärfen, wird es schnell klar: Wenn unsere Gedanken, unsere Gefühle und diese wiederum unser Verhalten beeinflussen, dann bedeutet dies auch: Indem wir unsere Gedanken bewusst verändern, können wir auch unsere Gefühle verändern und somit auch unsere Wirkung und unseren Erfolg beeinflussen.
Sie werden einwenden: aber das mache ich doch mit meiner Hoffnung und ich kann es mir doch so real vorstellen, dass es besser wird! Das DENKE ich jeden Tag! Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht, Nun, der Saboteur ist nicht ihre Hoffnung, sondern die unbewussten negativen Prozesse. Deshalb braucht es weitere Bewusstseinsarbeit, bis wir tatsächlich einen handfesten Erfolg verbuchen können. Schauen wir uns das an:
Wir können unsere Gedanken nur dann kontrollieren und verändern, wenn wir unbewusst gemachte, weil sehr unangenehm empfundene, vergangene Situationen, ins Bewusstsein holen und neu bewerten.
Diese Neubewertung vom Schmerzhaften geschieht auf einer anderen Etage: wir arbeiten auf einer metabewussten Ebene, indem wir also bewusstes, halbbewusstes und unbewusstes «psychisches Material», also: Gedanken, Emotionen, Empfindungen, Bewertungen, innere Haltungen, Gewohnheiten, Automatismen und Reaktionen sorgfältig, achtsam und wohlwollend sortieren, analysieren, würdigen und deren Verknüpfungen erkennen, verstehen und auflösen.
Daraus entsteht einen entspannten innenpsychischen Zustand. Nun sind wir im Stande, neue bewusste Grundsatzentscheidungen zu treffen, welche dann automatisch, also, ohne unseres bewussten Zutuns, viele neue positive Gedanken im Alltag generieren. Daraus entstehen positiven Gefühle, welche uns Erfolge bescheren werden.
Die Selbstreflektion auf der metabewussten Ebene kann man leicht erlernen, denn sie nutzt unsere natürlich vorhandene analytische Fähigkeit, unsere Empathie, die Kreativität und die Vorstellungskraft.
Wenn Sie also sich wundern, warum Sie es nicht schaffen, Vorsätze konsequent umzusetzen, wissen Sie nun Bescheid:
Die Lösungen eines Problems liegen jeweils auf einer anderen Etage!
Flavia Krogh, 21.11.22
Liebe Flavia, super Artikel. Selbstbetrachtung ist enorm wichtig. Danke. Dazu ist mir noch ein Vortrag Steiners in den Sinn gekommen, der auch darauf Bezug nimmt: 😉 “Und so handelt es sich darum, daß wir uns gerade zu dieser Fähigkeit hinordnen dadurch, daß wir uns verobjektivieren, daß wir uns diesen Kerl oder diese Kerlin so vorstellen, als wenn es ein uns fremdes Wesen in früheren Lebensaltern wäre, uns immer mehr bemühen, loszukommen von den Erlebnissen, immer weniger und weniger als Dreißigjähriger noch so zu sein, daß eigentlich nur die Impulse des Zehnjährigen noch nachspuken. Uns loslösen von unserer Vergangenheit, das ist nicht etwas, was unsere Vergangenheit verleugnen heißt – wir gewinnen sie auf andere Weise wiederum zurück;” (…) “Denken Sie nur: Wenn unbewußt der zehnjährige Kerl oder die zehnjährige Kerlin in Ihnen weiterwirkt, so sind
Sie, der Dreißigjährige oder Vierzigjährige, vermehrt um den Zehnjährigen; aber Sie sind auch vermehrt um den Elf-, Zwölfjährigen und so weiter. Der Egoismus ist ungeheuer potenziert. Er wird immer geringer und geringer, wenn Sie das Frühere von sich absondern, wenn Sie es verobjektivieren, wenn es mehr Gegenstand wird.” http://fvn-rs.net/PDF/GA/GA186.pdf , Bern, 12. Dezember 1918