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Dreikönig, Samstag, 6. Januar 2024: Fragen an Roland Tüscher
IH: Lieber Roland, vielen Dank, dass wir uns treffen dürfen, um miteinander zu sprechen. Ich interviewe für die Akademie Freiheit Lebenswerk und die Fördergesellschaft Demokratie Schweiz immer wieder Personen, die zukunftsgerichtete, gesellschaftlich wirksame Ideen voranbringen. Kannst du uns sagen, was dich dazu bewogen hat, 2011 ein von der Anthroposophischen Gesellschaft unabhängiges Nachrichtenblatt zu begründen?
RT: Ich habe 1997 – 2005 im Tagungsbüro des Goetheanum und dann von 2005 – 2014 für die Medizinische Sektion gearbeitet. Dort habe ich mitbekommen, wie der Vorstand in einem Machtakt das damalige Nachrichtenblatt aufhob. Das war 2011, als die AAG also ihr Nachrichtenblatt defacto abgeschafft hat. Noch in derselben Woche habe ich dann selbständig eine eigene Nummer rausgegeben. Aus meiner Sicht war das Nachrichtenblatt ein Tor zum gesamtgesellschaftlichen Entwicklungsprozess. Da ich der Auffassung war, dass es ein Kommunikationsorgan für die Gesellschaft brauchte, überlegte ich mir, aktiv zu werden. Die Aufhebung des Nachrichtenblattes seitens des Goetheanums sehe ich also als autoritären Akt. Gerade diese Gesellschaft soll aus dem Individuum heraus entstehen, nicht hat das Individuum der Gruppe zu dienen: „Die Menschheit strebt im Anfange der Kulturzustände nach Entstehung sozialer Verbände; dem Interesse dieser Verbände wird zunächst das Interesse des Individuums geopfert; die weitere Entwicklung führt zur Befreiung des Individuums von dem Interesse der Verbände und zur freien Entfaltung der Bedürfnisse und Kräfte des Einzelnen.“ (Rudolf Steiner, GA 31, S. 255f)
So ist der Einbezug der Gesellschaftsmitglieder über den Nachrichtenblattimpuls außerordentlich wichtig, ja, grundlegend. Die Abschaffung des Nachrichtenblattes markiert symptomatisch die Ausschaltung des individuellen Geistes aus der gesellschaftlichen Entwicklungsverantwortung, die aus der sachlich-inhaltlichen Auseinandersetzung zwischen den Individuen entstehen muss.
IH: Als Untertitel eurer Zeitung stand: Nachrichten für Freunde der Anthroposophie und Mitglieder der anthroposophischen Misch-Gesellschaft. Was verstehst du unter Misch-Gesellschaft?
RT: Was ich darunter verstehe hat seinen Grund in den sich widersprechenden zwei Statuten, welche diese Gesellschaft hat: erstens ein vereinsrechtlich basiertes Statut eines wirtschaftlich orientierten Bauvereins, welches für die eigentlichen gesellschaftlichen Aufgaben nicht vorgesehen war – und die Statuten der Neugründung der Gesellschaft von 1924 mit den in §1 auf der wahren Erkenntnis der geistigen Welt basierenden Mitglieder-Aufgaben. Das derzeit gültige Bauvereins-Statut paralysiert das Weihnachtstagungsstatut der allgemeinen anthroposophischen Gesellschaft (AAG) letzteres kommt dadurch nicht zur Anwendung. Das nenne ich eine Mischgesellschaft. Sie besteht also aus zwei Gesellschaften, dem Bauverein und der AAG, die in einen Topf geworfen werden. Die jetzige AAG ist ein Trugbild.
IH: Du hast insgesamt 16 Jahre am Goetheanum gearbeitet. Da du selbständig einen Impuls des Geisteslebens ergriffen hast, kann man wohl sagen, dass Dich das Geistesleben am Goetheanum, so wie es für die AG vertreten wurde, nicht befriedigt hat. Ist das richtig?
RT: Es gab schon damals, bevor ich das Blatt gegründet hatte, kaum eine Kultur der individuell basierten Gesellschaftsbildung, wie ich sie oben erwähnt habe. Eine solche Kultur wird durch ‹Ein Nachrichtenblatt› ermöglicht.
IH: Im Sinne eines Ausspruches Steiners: „Es müssen in Zukunftzeiten die Menschen füreinander sein und nicht der eine durch den andern. So wird das Weltenziel erreicht, wenn jeder in sich selber ruht, und jeder jedem gibt, was keiner fordern will.“? (GA 44, S. 135/136)
RT: Ja, es gab und gibt in der AAG keine Initiative oder Kultur, welche die gesellschaftlichen Aufgaben auf eine Basis der individuellen Verantwortung und deren Koordination stellt. Wenn man keine entsprechende Intention hat, landet man in einem unstrukturierten Individualismus. Wenn der Individualismus aber keine gesellschaftliche Form zu bilden in der Lage ist, dann bleibt die Freiheit zwar individuell bestehen – Steiners Intention im Sinne einer modernen Sozialform war jedoch, eine freiheitliche Gesellschaft zu bilden. Diese Aufgaben-Perspektive existiert am Goetheanum in bewusst intendierter und geführter Form nicht.
Wenn das Individuum sich mit seiner Freiheit mit den anderen Individuen so verbinden soll, dass mehr als die Summe der Teile entsteht, dann stehen wir vor ganz bestimmten Anforderungen. Das, was die Einzelnen zu einem gemeinsamen Wirken verbinden kann, ist sehr einfach: Erstens, freie Initiative jedes Einzelnen; zweitens, freies Interesse jedes Einzelnen: „Dass jeder jedem gibt, was keiner fordern will.“ Initiative und gegenseitiges Interesse müssen dann aber so stark sein, dass sie die ja immer vorhandene Tendenz eines Top-Down-Regimes wirksam ersetzen können. Das setzt langfristig die verbindliche Initiative vieler Einzelner voraus – und ein entsprechend mittätiges Interesse weiterer Einzelner. Hier liegt ein blinder Fleck, der bewusst gemacht werden müsste, wenn gesellschaftliches Leben auf Basis von Freiheit entstehen soll. Für diese Perspektive habe ich einen Beitrag verfasst.[1]
IH: Was würdest du jemandem erwidern, der in dieser Frage auf das Goetheanum und seine doch zahlreichen Initiativen verweist?
RT: Zeige mir bitte Initiative eins, zwei, drei auf, in der ein langfristig aufgebautes Projekt der Repräsentanz der Anthroposophie in der Öffentlichkeit dargestellt und in konkreter Rechenschaft verantwortet wird. Z.B würde ich darunter die Schilderung eines freiheitlichen Zusammenarbeitens verstehen, regelmässig dokumentiert im Nachrichtenblatt (Anthroposophie weltweit). D.h. die Aufgaben, die der Anthroposophie als solcher zukommen, bzw. aus ihr hervorgehen, erkennbar vermitteln, umsetzen und den Entwicklungsprozess darstellen. In den ursprünglichen Statuten § 1 (1924) haben wir als Grundlage der Gesellschaft, die „wahre Erkenntnis der Geistigen Welt“. Das heisst: als erste Frage muss – aus den Fähigkeiten der Gegenwart – beantwortet werden: was ist wahre Erkenntnis der Geistigen Welt und wie geht das?
Man kann eine Gesellschaft nicht auf eine solche Grundlage stellen, wenn diese nicht da ist. Bis jetzt beruht diese Gesellschaft diesbezüglich auf einem Goodwill-Verständnis von Steiner-Mitteilungen: also auf einem verinnerlichten, vielfach auch gut durchgearbeiteten Glauben, nicht auf jener selbständig geschaffenen wahren Erkenntnis der Geistigen Welt. Es bedarf eines klar aufgebauten Projekts zur Beantwortung dieser zentralen Frage. Es müssten Erkenntnisleistungen erbracht und diese müssen zur Diskussion gestellt werden. Dokumentiert im Nachrichtenblatt wäre das die Grundlage für die Teilhabe aller Gesellschaftsmitglieder, die mitmachen wollen. Eine Koordination oder Organisation gesellschaftlicher Aufgaben, an welcher Mitglieder innerhalb der Gesamtverantwortung – und nicht nur persönlich – mitarbeiten können, gibt es bisher nicht, trotz des positiven Vorbildes zu Steiners Zeit: den autorisierten ‹Äussere-Kräfte-Vorstand› und die autorisierten Goetheanum-Redner.
Diese Gesellschaft verfolgt heute also – im verbindlichen Sinne und aufgrund der skizzierten Basisaufgabe: keine Ziele.
IH: Was kannst du allgemein zum geistigen Leben der AG sagen, wie es von Dornach aus verstanden wird? Kommt in ihm ein Impuls zu geistiger Forschung zum Ausdruck, wie er von Rudolf Steiner verstanden wurde?
RT: Die Frage setzt eine gemeinsame Erkenntniskultur voraus, was unter geistiger Forschung zu verstehen sei. Am Goetheanum sagt berechtigterweise niemand von sich, er betreibe geistige Forschung im Sinne Rudolf Steiners. Zweitens: Man versteht darunter häufig nur esoterische Überlieferungen Steiners. Die Hochschule ist eine Pflegestätte der Überlieferungen von vor hundert Jahren. Eine Hochschule, die ihre eigenen Inhalte nicht in der Lage ist hervorzubringen, ist keine Schule. Sie hat keine Lehrer und keine Schüler. Die Inhalte der Klasse sind Stand 1925 stehen geblieben, die vorgesehene zweite und dritte Klasse der Schule gibt es nicht, kann es auf Steiners Niveau auch nicht geben. Eine Hochschule wäre denkbar, sie müsste sich aber sehr bescheiden auf gegenwärtig leistbare (erkenntniswissenschaftliche usw.) Grundlagenarbeit erstrecken. Es wurde jedoch in dieser sogenannten Hochschule noch nie eine derartige Arbeit geleistet oder auch nur mit langfristiger Entwicklungsintention in Angriff genommen.
Sie existiert also dem Namen nach – ist aber keine Hochschule.
IH: Was fehlt deiner Meinung nach in der AG in Bezug auf die Verwirklichung geisteswissenschaftlicher Impulse am meisten?
RT: Wie schon angedeutet: Am meisten fehlt eine verbindliche, langfristig projektierte Initiative zur Frage: was ist Geisterkenntnis? Und zwar für die Vertretung der dann neu und eigenständig gewonnenen Ergebnisse in der Öffentlichkeit.
IH: Du schienst an der Abwahl von Bodo von Plato und Paul Mackay 2018[2] mit deinem Nachrichtenblatt einen gewissen Anteil gehabt zu haben. So wurde das jedenfalls kritisiert. Kannst du dies bestätigen?
RT: Wissen kann man das nicht. Es gibt keine Untersuchung darüber. Aber alle, die mit mir gesprochen haben, sagten, die Abwahl (eigentlich: die Nichtbestätigung) hätte ohne Ein Nachrichtenblatt nicht stattgefunden. Allerdings muss dazu gesagt werden, dass das nur deshalb möglich geworden ist, weil so viele Menschen ein Interesse an diesem Blatt hatten. Bodo von Plato und Paul Mackay hatten sich freiwillig dieser Wahl ausgesetzt. Die Vorgeschichte ist, dass es 2011 eine Initiative zur Abwahl des gesamten Vorstandes gab. Eine der Abwehrstrategien des Vorstandes war damals, zu sagen, dass sie sich alle 7 Jahre zur Wiederwahl stellen würden. Mit u.a. dieser Strategie erreichten sie, dass sie 2011 nicht abgewählt wurden. 2018 waren jedoch diese 7 Jahre abgelaufen und die beiden Persönlichkeiten mussten sich zur Wiederwahl stellen.
IH: Mir persönlich sind deine Nachrichtenblattimpulse zu einer wichtigen Lektüre im Zusammenhang mit der Beleuchtung anthroposophischer und nicht-anthroposophischer Inhalte und Weltangelegenheiten geworden. Nehmen die Leser deines Blattes lebendigen Anteil an deiner Initiative?
RT: Die Leser reagieren durch Leserbriefe, Artikel, Beiträge, Kunst. Man kann von einem sehr regen Anteilnehmen sprechen. Das ist ein schöner kleiner Erfolg. Er deutet an, was möglich wäre, wenn die Leitung der Gesellschaft eine Verbreitung von Ein Nachrichtenblatt zulassen oder gar fördern würde. Dafür hat sie sich nie interessiert. Im Gegenteil. Das Goetheanum ist, dem Namen nach, eine Stätte des freien Geisteslebens – in der Praxis sieht es aber so aus, wie ich es beschrieben habe. Der Vorstand und die Goetheanumleitung verhindern Woche für Woche die Mitarbeit der Mitglieder, indem sie das wöchentliche Nachrichtenblatt nicht als solches erscheinen lassen.
IH: Was ist der wichtigste Impuls, den du mit deinem Nachrichtenblatt verwirklichen möchtest?
RT: Ich kann nur immer wieder, soweit es mir möglich ist, Dinge zur Sprache bringen und darstellen, die in der einen oder anderen Form eine Anregung sein können. Dann kann man sagen: Es gibt eine grosse Fülle von Anregungen Rudolf Steiners zur Gestaltung des Nachrichtenblattes, die jedem zugänglich sind und die wir publiziert haben. Wichtig ist, dass Ein Nachrichtenblatt kein Mandat hat. Ich vertrete nicht die Mitgliedschaft und bin kein offizielles Organ und habe in diesem Sinne keinen organisierten sozialen Umraum. Es stellt sich als freie Initiative in die freie Wahrnehmung der Mitglieder und insbesondere aller Freunde der Anthroposophie. Wesentlicher aber ist: ‹Ein Nachrichtenblatt› lebt. Daraus könnte sich weiteres entwickeln, wofür ich natürlich offen bin.
Was ich möchte, ist weiterhin Aufklärungsarbeit nach innen und aussen zu vermitteln. Dabei möchte ich einen Schwerpunkt legen auf die Frage, die seit Herbst 2023 gestellt wurde: Was ist wahre Erkenntnis der Geistigen Welt; was lag in Steiners Forderung einer durch diese Gesellschaft zu vertretenden Gesamtanschauung? Es fehlt die Verbindlichkeit zur selbständigen Erarbeitung und Entwicklung der Anthroposophie in der AAG; es fehlt ein kontinuierlicher und gemeinschaftlicher Wille, diese Entwicklungsarbeit voranzubringen. Der Vorstand hat es aktuell abgelehnt, zu diesen Kernaufgaben Stellung zu nehmen; auch meine diesbezügliche Initiative hat er abgelehnt. Sie muss nun ausserhalb der AAG ihre Entwicklung suchen.
IH: In der vorletzten Ausgabe Deines Blattes, (ENB, 13. Jahrgang, Nr. 25 vom 17. Dezember 2023) schreibst Du: „Eine der ersten gesellschaftlichen Aufgaben wird heute darin bestehen müssen, die wissenschaftlichen Grundlagen der Geisteswissenschaft selbständig nachzuschaffen und deren Vertretung auf das selbständige geisteswissenschaftliche Urteil zu stellen.“ Wo steht die AG in Bezug auf diese, zweifelsohne von Steiner bereits geforderte Arbeit?
RT: Man kann nicht sagen, dass sie diese Aufgabe nicht sieht. Sie tut es jedoch nicht langfristig, verbindlich und mit klaren und ausgesprochenen Zielsetzungen, daher notwendig werdenden, regelmässigen Standortbestimmungen usw. Symptomatisch wird dies bestätigt dadurch, dass es dazu an Generalversammlungen keine Rechenschaftsberichte gibt. Solche würde ein langfristiges Projekt zur Erarbeitung einer wahren Erkenntnis der geistigen Welt voraussetzen.
IH: Rudolf Steiner sagt im Vortrag vom 14. April 1919 in GA 190: „Es ist ja eine tiefe Neigung vorhanden, gerade in solchen Bewegungen, die sich auf das Geistige beziehen, Sektiererei zu treiben. Ob diese Sektiererei nun sich heraus entwickelt aus kleinen Cliquen,(…) ob direkt Sektiererei getrieben wird, darauf kommt es nicht an. Denn dasjenige, worauf es ankommt, ist, wirklich einzusehen, daß durch diese hier gemeinte, anthroposophisch orientierte geisteswissenschaftliche Bewegung Objektivität, Unpersönlichkeit gehen muß. Das war ja immer das Schwierige unserer Bewegung, daß das Persönliche, meistens ohne daß man es ahnte, verwechselt wurde mit dem Objektiv-Sachlichen“. – Können wir diese Neigung zur Sektiererei auch heute noch in der AG beobachten?
RT: Ich habe mir diese Frage auch oft gestellt. Die Frage nach wahrer Erkenntnis der geistigen Welt ist eine unpersönliche Frage, die auf hohem Niveau und mit Tiefgang beantwortet werden muss. Erst dann handelt es sich um eine unpersönliche, wirkliche Arbeit. Wenn diese Grundlage nicht erarbeitet wird, kann alles andere nur Stückwerk sein. Steiner hat für die Arbeit in der Esoterischen Hochschule eine Bedingung gestellt: Repräsentanz der Anthroposophie nach aussen. Es geht eben nicht um eine individuell persönliche Stärkung, sondern darum, die Anthroposophie nach aussen zu vertreten. Heute gibt es noch nicht einmal ein Organ für diese Repräsentanz, kein Profil der Anthroposophie, mit dem sie nach aussen zurechenbar verantwortlich vertreten wird.
Es gibt im Gegenteil Anbiederung, die Neigung, eine Nähe zum Staat aufzubauen. Man will durch diesen Anerkennung erhalten. Es kommen auch Anbiederungen der AAG an den sogenannten Mainstream zustande, wie ihre erstrebte Systemkonformität mit WHO-Vorgaben[3]. Das Goetheanum kann man so lange nicht ernst nehmen, wie es sich seiner eigenen Grundfragestellung nach Vertretung des Geistes gegenüber dem sozialen und wissenschaftlich-technologischen Materialismus nicht annimmt. Es müsste seine Einzelleistungen (die ich voll wertschätze) zu einer Gesamtanschauung so verbinden, dass die Opposition des Materialismus gegen Natur und Mensch sichtbar gemacht und das Eigene in seinem notwendigen, aber ja positiven Gegensatz zum Materialismus voll vertreten wird. Davor besteht offensichtlich flächendeckend eine kollektive Angst am Goetheanum. Mit dieser Angst aber reiht man sich ein in den Kampf gegen den Geist.
IH: Was sind die weiteren, aktuellen Ziele, die du mit deinem Nachrichtenblattimpuls verfolgst?
RT: In der Nummer 1/2024 haben wir den Entwurf eines Vorworts zum frühen Atomismus-Aufsatz Steiners, den er als Keim seiner Geisteswissenschaft charakterisierte, publiziert – als weiteren konkreten Schritt, diese Grundlagenfragen anzugehen. Wenn wir nicht in der Lage sind, die Geisteswissenschaft aus deren Keimen selbständig zu entwickeln, dann verbleiben wir in einem Geist-Glauben. Daran ändert auch nichts, wenn dieser Geist-Glaube oder auch Erlebnisse diverser Hellseher auf hohem Niveau denkerisch beleuchtet werden. Rudolf Steiner ist da ganz klar: „Tausendmal besser ist es, Geisteswissenschaft zu kennen und noch nichts zu sehen, als etwas zu sehen und nicht die Möglichkeit zu haben, die Dinge auch denkerisch zu durchdringen, weil dadurch die Unsicherheit in die Sache hineinkommt.“ Rudolf Steiner, 13. November 1909
Diesen Vortrag habe ich kommentiert und als Studienausgabe veröffentlicht.[4] Die Intelligenz selbst muss spiritualisiert werden und man muss sich in die Lage versetzen, dies zu können, wenn auch zunächst anfänglich und dieses Können zu vermitteln. Sonst wird man zu einer Art geisteswissenschaftlichen Kirche. ‹Ein Nachrichtenblatt› stellt sich also in das hinein, was das Goetheanum eigentlich tun sollte, wenn es die erwähnten Grundforderungen Rudolf Steiners konsequent aufgreifen wollte. Das ist schon so: Das Goetheanum ist heute eine solche Kirche, solange es den Goetheanismus in seinen erkenntniswissenschaftlichen Grundlagen nicht ins Aufgabenzentrum stellt und gegenüber dem Materialismus in Stellung zu bringen unternimmt.
IH: Lieber Roland, ich danke dir für dieses Gespräch
[1] https://einnachrichtenblatt.org/ein-nachrichtenblatt
[2] https://dasgoetheanum.com/verabschiedung-von-paul-mackay-und-bodo-von-plato-im-betrieb/
[3] Siehe das Interview mit Dr. med. Matthias Girke, ehemaliger Leiter der Medizinischen Sektion am Goetheanum in; ENB, 13. Jahrgang, Nr. 11 vom 28. Mai 2023