Vom Schulladen zur globalisierten Wirtschaft

JAN-CHRISTOPH VON DESCHWANDEN

Vor zweieinhalb Jahren übernahm ich die Klassenbetreuung einer 8. Klasse, die sich schnell als unruhig und schwer zu motivieren herausstellte, wenn es ums kognitive Arbeiten ging. So kam ich auf die Idee, die Schüler über das gemeinsame Tun im Rahmen eines Projektes zu motivieren und so das praktische Urteil zu fördern. Ich schlug vor, einen Schulladen einzurichten und gemeinsam zu führen. Das stiess auf Begeisterung (auch bei den Eltern) und die Arbeit nahm ihren Anfang.

Wir konnten einen leerstehenden Pavillon nutzen und organisierten Holzkisten für die Ladeneinrichtung. Der Baumarkt um die Ecke spendete uns die Kisten freundlicherweise. Wir fuhren zum Grossisten Biopartner in Seon, schauten uns dort das Warenangebot an und orderten die erste Bestellung. Einige Wochen nach Projektstart konnten wir stolz mit einem Fest einen schönen, kleinen Laden eröffnen.

Inzwischen ist der Laden unter der Obhut von unserer Gartenbaulehrerin Susanne Zimmer in den Gartenbau umgezogen, näher an die Strasse ran und dadurch besser wahrnehmbar für die Kundschaft, die hier gerne auf dem Weg nach oder von Lenzburg auf dem Velo oder zu Fuss vorbeikommt. Eine Tafel informiert über die momentan zum Kauf angebotenen frischen Lebensmittel aus der Gartenbau-Produktion, die inzwischen durch ein weiteres Projekt ein eigenes Label bekommen haben.

Täglich von 11:30 bis 12:15 ist der Laden geöffnet. Vor allem Mütter, die ihr Kind abholen und noch schnell etwas posten, das vergessen wurde oder ausgegangen ist oder auch nur bei uns im Regal steht, lassen sich von Schülern beraten und bedienen.

Hinzu kommen einträgliche Sonderverkäufe bei Schulfesten und zu anderen Anlässen. Hier gibt es dann auch spezielle Artikel im Verkauf: Setzlinge im Frühjahr oder Kränze in der Adventszeit. Bei diesen Sonderverkäufen kommt dann auch der sogenannte Non-Food-Bereich besonders zum Tragen. Wir verkaufen neben den Lebensmitteln auch waldorftypische Produkte wie Stockmar-Wachskreiden oder handgefärbte Seidentücher. Ergänzt wird dieses Angebot durch Artikel aus dem Handarbeits- und Werkunterricht wie Mäppchen oder Geldbeutel. Ausserdem bieten Eltern und Freunde der Schule ihre in Heimarbeit hergestellten in Kommission an. Momentan kann man z.B. geflochtene Strohhüte aus der Ukraine erstehen.

All das wird von Susanne Zimmer geplant, organisiert und immer wieder neu impulsiert. Nur so konnte der Schulladen zu einem wichtigen, lebendigen Bestandteil der Schule werden.

In Zukunft werden wir den Schulladen noch stärker in den Unterricht integrieren. Wir möchten uns als freie Wirtschaftsschule positionieren, welche nach der neunten Klasse greift und unsere Schüler und Schülerinnen bis zu vier Jahre begleitet.

Die FMA (Freie Wirtschaftsschule Aargau) wird als neunte IMS F Schule der Schweizer Rudolf Steiner Schulen auftreten und in diesem Rahmen den schulischen Abschlüsse IMS F anbieten. Der IMS F Abschluss ermöglicht den Besuch zahlreicher ausgewählter Fachhochschulen und Höherer Fachschulen.

Ausserdem kann der Schüler, die Schülerin in Klasse 12 den schulischen Teil des beruflichen Abschluss EFZ (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis) Kaufmann/Kauffrau ablegen. Nach einem Praktikumsjahr bei einem der mit der Schule kooperierenden Unternehmen ist diese berufliche Ausbildung dann abgeschlossen. Somit hat man mit 19 oder 20 Jahren sowohl einen schulischen als auch einen beruflichen Abschluss. Beides zusammen bildet eine hervorragende Basis für den weiteren beruflichen Werdegang.

Unser Ziel ist es, den Schülern und Schülerinnen eine freie und kreative Umgebung zu bieten, in welcher Sie mit den Werten der Sozialen Dreigliederung in Kontakt treten und diese in Bezug auf die Wirtschaft erleben und ausleben können. Die Ideale der Sozialen Dreigliederung

  • Freies Geistesleben
  • Gleichheit im Rechtsleben
  • Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben

sollen vermittelt und im Rahmen wirtschaftlicher Projekte erfahren und umgesetzt werden.

Wir streben danach, die Lernumgebung so zu gestalten, dass unsere Schüler und Schülerinnen nebst den Pflichtfächern einen Ort erhalten, in welchem Sie mit realem Unternehmertum in Kontakt kommen. So wird die Schule mit lokalen Unternehmen zusammenarbeiten, in welchen unsere Schüler und Schülerinnen Praktika absolvieren und Arbeitserfahrung sammeln, um ihre Fähigkeiten effizient in Unternehmen einbringen zu können.

Die Unternehmen werden danach ausgewählt, ob sie die Werte der Sozialen Dreigliederung und dabei insbesondere das Ideal der Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben umsetzen und widerspiegeln.

Die Schüler und Schülerinnen sollen ihre Kompetenzen und ihren kreativen Umgang mit den Vorgaben entfalten und so ihre Persönlichkeit bilden. Aus den Erfahrungen mit der Erwachsenenbildung im Bereich Wirtschaft heraus wird ein Konzept vermittelt, das zur lebenslangen Selbstschulung anregt und aufzeigt, wie sehr die Arbeit an sich selbst der Arbeit mit den anderen zu Gute kommt. Das Selbstvertrauen wird gestärkt, individuelle Perspektiven entstehen, ein stabiles Netzwerk bildet sich. Die Schule bietet dadurch nicht nur Abschlüsse sondern auch einen Anschluss ans Leben an.

Wir planen, unsere Schüler und Schülerinnen mit den neuesten Trends, Technologien und Wirtschaftsthemen z.B. durch Foren mit innovativen Menschen aus der Wirtschaft in Berührung zu bringen, so dass das Gespür für modernes, nachhaltiges Unternehmertum gestärkt wird.

Wir möchten in einer Zeit starker Umbrüche Orientierung geben, indem wir auf die Gedanken der Sozialen Dreigliederung verweisen und unseren Schülern eine Wirtschaftsausbildung anbieten, bei der Nachhaltigkeiten und soziales Miteinander im Mittelpunkt stehen.

Beim diesjährigen Frühlingsfest besuchten uns auch ein paar Schüler aus der damaligen 8. Klasse, die das Projekt Schulladen gestartet hatten. Sie staunten, wie sich ihr Laden entwickelt hat und wie stark er inzwischen in das Schulgeschehen eingebunden ist. Ich bin gespannt, was sie sagen werden, wenn sie uns in ein paar Jahren wieder besuchen werden und wie sich das Projekt bzw. die Schule bis dahin weiter entwickelt haben wird. Ideen sind ausreichend vorhanden.

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