Interview mit Lukas Hotz: Thema Verantwortungseigentum

Eine Stiftung stellt eine Struktur zur Verfügung, die ermöglicht, dass Unternehmen zum reinen Nominalwert verkauft werden können. Dies hilft, dass Firmen vermehrt sinnorientiert statt geldorientiert betrieben werden können. Die Purpose Stiftung ermöglicht einer Firma ihr einen Anteil an der Firma zu übertragen. So erhält die Stiftung eine Vetomacht darüber, zu welchem Preis die Firma verkauft werden kann. Es wird gesichert, dass das Kapital im bestehenden Unternehmen gebunden bleibt. In der Schweiz muss nun evaluiert werden, ob das Purpose Modell ausreicht, oder ob es sogar eine neue Rechtsform braucht. Was steht hinter dem Eigentumsbegriff? Was bedeutet Eigentum? Verantwortungseigentümer nehmen eine Eigentümerrollen wahr, ohne deshalb gewinnorientiert zu kaufen und zu verkaufen. Mitarbeiter können ebenfalls Miteigentümer werden, müssen es aber nicht.

21. Juli 2023

Lieber Lukas, wir setzen uns von der Akademie AFL für die Dreigliederung ein. In diesem Zusammenhang interessieren wir uns auch für die Veränderung von Eigentumsstrukturen. In der Dreigliederung kommt dieser eine zentrale Bedeutung zu.

IH: Du förderst in der Schweiz das Thema Verantwortungseigentum mit Purpose Schweiz (https://purpose-schweiz.org/). Wie tust du das?

LH: Ich bevorzuge tatsächlich den Begriff Steward Ownership statt Verantwortungseigentum. Der Begriff “Verantwortungseigentum” führt manchmal zur fälschlichen These, dass traditionell aufgestellte Unternehmen keine Verantwortung übernehmen würden. Das stimmt natürlich nicht. Aber um diesem Missverständnis aus dem Weg zu gehen, finde ich die englische Bezeichnung verständlicher.

In der Schweiz gibt es bereits seit 7 Jahren die Purpose Stiftung, mit Sitz in Basel. Letzten Herbst wurde haben wir nun auch die Purpose Schweiz GmbH (https://purpose-schweiz.org/) ins Leben gerufen, um das Thema aktiv voranzutreiben. Der Migros Pionierfonds unterstützt uns während der ersten drei Jahre. Ziel ist Verantwortungseigentum, oder eben Steward Ownership, in der Schweiz bekannter und umsetzbar zu machen. Das tun wir auf drei Wegen:

  1. Awareness schaffen: Wir informieren an Veranstaltungen, in Fachkreisen und direkt in Betrieben über den neuen Eigentumsansatz, erarbeiten und teilen Fallbeispiele und streuen diese medial.
  2. Beratung von Firmen bei der Umstellung zu Steward Ownership. Unterstützung von jungen Unternehmen bei der Gründung und Begleitung von Firmeninhaber:innen, die eine Nachfolgelösung suchen.
  3. Wir helfen Unternehmen bei der Suche und Vermittlung von Kapital im Feld von Alternative Finance (alternative Finanzierungsmodelle).

IH: Was ist das Ziel von Steward Ownership?

LH: Grundsätzlich ermöglicht Steward Ownership, dass Unternehmen sinnorientiert statt rein geldorientiert betrieben werden. Wir sehen Steward Ownership als Eigentumsstruktur für eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft von morgen. Als sinnvolle Lösung für Unternehmen, die ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und trotzdem unternehmerisch agieren wollen.  Dies geschieht über eine sehr bewusste Ausgestaltung und Trennung von Stimm- und Kapitalrechten auf Eigentumsebene. Rechtlich gibt es viele Wege, dies umzusetzen und langfristig zu verankern. Die Purpose Stiftung hat vor sieben Jahren mit dem Golden Share Modell* eine pragmatische Lösung für Unternehmen entwickelt. Dabei erhält die Stiftung einen Anteil am Unternehmen – dazu gehört ein Vetorecht bei sämtlichen Entscheiden, die die Struktur von Steward Ownership betreffen.

IH: Die Purpose Stiftung und das Bestreben für eine neue Rechtsform für Steward Ownership kommen aus Deutschland. Was passiert in der Schweiz?

LH: Die Purpose Stiftung sass ja stets in der Schweiz, die gesamte Organisation war allerdings in Deutschland aktiver in den letzten Jahren. Darum gibt es nun Purpose Schweiz. Eines unserer Ziele ist es natürlich zu evaluieren, ob u.a. das Golden Share Modell ausreicht, oder ob es sogar auch hierzulande eine neue Rechtsform braucht. Wir stossen definitiv auf breites Interesse und sammeln nun wertvolle Erfahrungen mit den Unternehmen darüber, was im heutigen Rechts- und Steuerrahmen der Schweiz machbar ist.

IH: Gibt es in der Schweiz bereits Betriebe, die nach den Grundsätzen von Steward Ownership arbeiten?

LH: Es gibt unter anderem: Crowd Container (https://crowdcontainer.ch/), Flavum (https://www.gemeinwohltun.ch/), MONoPOLE (https://monopole.cc/en) von Daniel Freitag, oder auch das Gundeldingerfeld (https://gundeldingerfeld.ch/) in Basel, die in Steward Ownership wirtschaften. Auch Unternehmen wie Victorinox, oder Felchlin Schokolade in Ibach-Schwyz, arbeiten mit interessanten Firmenmodellen. Bei Victorinox gehören beispielsweise 90% der Aktien der Victorinox-Unternehmensstiftung, bei Felchlin liegt die Mehrheit der Macht in den Händen eines Vereins.

IH: Was passiert mit den Betriebsüberschüssen, die ein Unternehmen in Steward Ownership erwirtschaftet?

LH: Das definiert jedes Unternehmen selbst. Grundsätzlich dienen sie der Reinvestition, der Abzahlung von Kapitalkosten oder der Auszahlung bisheriger Eigentümer:innen. Wichtig ist, dass Betriebsüberschüsse nicht automatisch und unlimitiert an die Eigentümer:innen einer Unternehmung gehen. Häufig investieren Unternehmen die Gewinne in höhere Löhne, Innovationen oder bessere Reserven. Den Anreiz zur Wertmaximierung der Anteile und Spekulation wird aus dem Weg geschafft, wobei natürlich trotzdem faire und marktgerechte Entschädigungen für Angestellte gezahlt werden sollen.

In Dänemark gibt es bereits viel mehr Forschung zum Thema Steward Ownership und seinen positiven Effekten (höhere Resilienz und Lebensdauer der Unternehmen, tiefere Fluktuation und höhere intrinsische Motivation bei den Mitarbeitenden). Es gibt dort seit Langem spezielle Unternehmensstiftungen, die dem Konzept von Steward Ownership sehr nahekommen. 80% des Bruttoinlandprodukts in Dänemark stammen bereits aus Unternehmen in Steward Ownership. Unternehmen in Steward Ownership haben eine hohe unternehmerische Flexibilität, abgesehen davon, dass die Gewinne nicht alle in die Tasche der Unternehmer:in gehen. So werden sowohl die Vorteile der privatkapitalistischen Marktwirtschaft wie diejenigen von gemeinnützigen Organisationen genutzt, um eine nachhaltige Wirtschaftsform für alle zu gewährleisten. 

IH: Lieber Lukas, ich danke dir vielmals für das spannende Interview und wünsche euch viel Erfolg auf dem Weg zur Realisierung!

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen